Programmierworkshop zum Thema "Neophyten" in der MS Irdning



Dies war nicht mein erster Programmierworkshop in einer Mittelschule, aber mein erster Programmierworkshop für eine reine MINT-Mädchengruppe (MINT: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und meine erste praktische Erfahrung mit einer Klasse die bereits von der Republik Österreich mit Laptops ausgestattet wurde.

Den Workshop organisierte die Naturparkverwaltung Natur- und Geopark Steirische Eisenwurzen GmbH unterstützt vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sowie der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) mit dem Förderschwerpunkt Talente regional.

Die Projektvorgabe für mich war, ein Spiel zum Thema Neophyten (eingewanderte Pflanzenarten) zu erstellen.

Mein ursprüngliches Angebot sah vor, mit den Mädchen ein kleines Spiel zum Thema am Smartphone unter Verwendung der Programmier-App Catrobat / Pocket-Code zu erstellen. Nachdem ich erfahren hatte daß die MINT-Mädchengruppe bereits mit persönlichen Laptops ausgestattet ist, stellte ich das Konzept um auf Programmierung am Laptop in meiner Lieblingsprogrammiersprache Python.

Die Schülergruppe bestand aus 11-jährigen Mädchen der Mittelschule Irdning. Die Laptops der Schülerinnen werden in der Schule gewartet und es gelang mir im Vorfeld die Installation von Python und vom Allzeck-Programmiereditor Geany zu beantragen. Zu meiner großen Freude wurde diese Aufgabe bereits vor Workshopbeginn vor Ort von Herrn Dipl. Päd. Binderbauer erledigt.

Conways Game of life

Mit meinen eigenen Schülergruppen programmiere ich gerne "Conways Game of Life"-Simulationen und ich dachte mir dies könnte vielleicht den Schülerinnen in Irdning gefallen.

Bei Conways Game of Life bestimmen sehr einfache mathematische Regeln darüber wie sich Zellen in einem 2-dimensionalen Spielfeld verhalten: Je nachdem wie viele benachtbarte lebendige Zellen eine Zelle hat, stirbt sie ab (Vereinsamung bei weniger als 2 Nachbarn, Übervölkerung bei mehr als 3 Nachbarn), oder sie bleibt bestehen (bei 2 bis 3 Nachbarn). Eine vormals leere Zelle wird lebendig wenn sie genau 3 Nachbarn hat.

Meine Grundidee war, für verschiedene Gruppen von Zellen (einheimische Pflanze vs. Neophyt) leicht unterschiedliche Regeln aufzustellen um zu zeigen wie schon kleine Änderungen an den Spielregeln pro Gruppe (=geringfügig bessere Anpassung an die Umwelt) große, komplexe Änderungen bei der Populationsverteilung zwischen den Gruppen erzeugen können.

Auf meiner Festplatte fand ich ein paar Game-of-life Programme mit Python und turtle-Grafik die allerdings recht langsam waren und nur eine einzige Gruppe von Zellen berechnen konnten. In meinem eigenen Gist-Repository fand ich schließlich eine etwas schnellere Version (erstellt mit Python und PySimpleGUI) die auch mehrere Gruppen von Zellen (dargestellt durch unterschiedliche Farben) berechnen konnte. Ich erweiterte das Programm um GUI-Elemente zum einfachen anpassen der mathematischen Regeln pro Zellgruppe und bestieg den Zug von Wien in die Steiermark nach Stainach-Irdning.

Game-of-Life Simulationsprogramm

Game of Life Simulationsprogramm

Irdning

Vom Bahnhof Stainach-Irdning aus ging es weiter mit dem Bus nach Irdning (dank Klimaticket ist das Umsteigen zwischen Verkehrsmitteln sehr komfortabel) wo ich angenehm überrascht war von der sehr schönen Bushaltestelle: Ein leerer, geheizter, sauberer Warteraum mit Stromanschluß, funktionierende Toiletten, ein integriertes Fremdenverkehrsbüro und ein großer Supermarkt gleich gegenüber... vorbildhaft!

MS Irdning

Die Mittelschule Irdning konnte ich von der Bushaltestelle aus zu Fuß bequem erreichen. Ich war ein paar Minuten zu früh da, weshalb mich gleich der Direktor persönlich auf einen Kaffee einlud und mir Interessantes über seine Schule (auf die er sichtlich sehr stolz war) erzählte.

Workshop

Gut mit Koffein und Fakten befüllt lernte ich dann die Klassenlehrerin Frau Dipl. Päd. Lemmerer sowie den EDV-Verantwortlichen Herrn Dipl. Päd. Binderbauer persönlich kennen, wir hatten bis dahin nur per Email und Telefon kommuniziert. Mir wurde ein großer Allzweckraum zugewiesen der sich im Nu mit lauter sehr lebendigen 11-Jährigen Mädchen sowie deren Jausenpaketen und Laptops füllte.

Nach der obligatorischen Vorstellrunde (mein Namensgedächtnis war auch schon einmal besser) machte ich mich daran meine mitgebrachten Python-Programme vom USB-Stick auf die Laptops der Schülerinnen zu kopieren. Bei älteren Schülern wäre der Download und das Entpacken eines Zip-Archivs in Frage gekommen, aber meine Erfahrungen sind eher dahingehend daß ich danach oft die doppelte Arbeit habe weil "downloaden, entpacken und den entpackten Ordner öffnen" geübt sein will und nicht vorausgesetzt werden kann.

Unterricht

Die Mädchen starteten IDLE auf ihren Computern und machten ein paar bescheidene Programmierschritte die hauptsächlich dazu dienten daß ich mich vergewissern konnte daß Python korrekt auf allen Laptops installiert war.

Die Schülerinnen waren über das Thema Neophyten gut informiert, weshalb ich mich darauf konzentrierte die Spielregeln von Conways Game of Life per Flipchart zu erklären.

Kleingruppen

Die Kinder bildeten anschließend Kleingruppen, setzten sich am Boden um großes Flipchartpapier herum auf und sollten die Game-of-Life regeln per Hand ausrechnen. Dazu muß man zwar nicht unbedingt Erfahrung mit einem 2-dimensionalen Koordinatensystem haben - es erleichtert die Sache aber ungemein. Speziell wenn man anstatt "4. Zelle von links, 2. Zelle von unten" einfach "d2" sagen kann. Das Spiel Schiffe versenken war den Mächen unbekannt, aber zum Glück fand sich eine Schachspielerin welche benannte Koordinaten vom Schachbrett her kannte und mir beim Erklären assistieren konnte.

Assistenz-Lehrerin erklärt was ein Koordinatensystem ist

Jede Gruppe hatte 2 Blätter Flipchartpapier am Boden: Auf einem Papier war ein Matrix mit der bestehenden Population (3 Zellen untereinander) dargestellt. Auf einem zweiten, leeren Papier sollten die Kinder ausrechnen wie die darauffolgende Population ausschaut.

Nachdem alle Gruppen erfolgreich eine "Generation" von Zellen ausgerechnet hatten (3 Zellen untereinander ergeben in der nächsten Generation 3 Zellen nebeneinander) wurden die Blätter getauscht, das "neue" Blatt wurde "alt", das "alte" Blatt wurde zum neuen, leeren Blatt und der Rechenvorgang begann von vorne.

Meine Hoffnung war das die Kinder "parallel" rechnen würden, daher jedes Kind ein paar Zellen für sich ausrechnet (human Multiprocessing), aber die Praxis verlief eher so daß ein Kind rechnete und die anderen Kinder dabei zuschauten, sodaß ich den Theorieteil an dieser Stelle abbrach.

Das Ausrechnen der Zellpositionen anhand der Game-of-Life Regeln verlief -entgegen meiner Erwartungen- sehr problemfrei. Schwieriger war es, die Kinder im Zaun zu halten weil ständig jemand zurück in die Klasse laufen musste um lebenswichtige Hilfsmittel wie Lineal, Bleistift, Radiergummis etc. zu holen.

Die Zeit war mittlerweile schnell vergangen und ich verbrachte den Rest des Workshops damit die Kinder im Gebrauch der "Game-of-Life"-Programme am Computer zu unterrichten. Dazu mussten sie lernen wie man ein Python-Programm vom Editor geany aus startet und wie man Code-Zeilen verändert.

Mir fiel auf daß die Mädchen das Game-of-Life Programm gerne wie ein Malprogramm verwendeten, das heißt sie "malten" aus Zellen ihren Namen oder Herzen und andere Figuren und ließen dann den Computer ausrechnen wie sich die hingemalten Zellen veränderten.

screens

Abschluß des Kurses war die "Neophyt vs. einheimische Pflanze" Simulation mit meinem PySimpleGUI-Programm und Änderung der Spielregeln für eine Zellgruppe. Nach einiger Zeit konnten alle Schülerinnen ganz gut mit dem Programm umgehen, für genaue statistische Auswertungen wie sehr sich eine Regeländerung auf die Populationsverteilung auswirkt fehlte leider die Zeit. Drei Stunden Workshop vergingen wie im Flug.

Heimreise

Der Workshop war am späten Nachmittag zu Ende. Auf Anraten der freundlichen Mitarbeiterin des Fremdenverkehrsamtes gönnte ich mir anstatt einer Busfahrt einen circa einstündigen Fußweg durch verschneite Felder zurück zum Bahnhof Stainach-Irdning. Belohnt wurde ich mit einem Blick auf den wolkenverhangenen Grimming. Am Bahnhof angekommen wartete ein Direktzug nach Wien auf mich - besser gehts nicht.

Grimming

Fazit

Ich kann "Conways Game of Life" für MINT-Workshops sehr empfehlen, meine Erfahrung nach sind 11-Jährige Mächen (in Irdning) nicht zu jung für das Thema. Programmier-Kenntnisse im Allgemeinen oder Python-Kenntnisse im Besonderen sind dafür seitens der Vortragenden nicht unbedingt erforderlich: Im Internet gibt es eine Vielzahl von "Game-of-Life" Websites, mache davon sogar mit nur sehr wenig blinkender Werbung.

Abhängig davon was man genau unterrichten will empfehle ich ein selbstgeschreibenes Programm, idealerweise eines das die Teilnehmer im EDV-Unterricht selbst programmieren.

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